Zurück auf LOS

Mike`s Geschichte

Als ich 1993 den Anruf bekam, dass für mich eine Spenderniere da war, konnte ich zunächst mein Glück kaum fassen. Das war auch das erste Mal, dass ich freiwillig und ohne Angstgefühle in ein Krankenhaus kam. Die Transplantation verlief ganz normal und schon nach einer Sekunde begann die Niere, übrigens eine Full-house-Niere, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

maschineAch was war ich glücklich. Schließlich hatte ich (zum Glück) erst zweieinhalb Jahre Hämo- und Bauchfelldialyse hinter mir. An der Hämodialyse, damals noch an einer DDR-Maschine vom Typ KN 401, ging es mir ziemlich schlecht. So schlecht, dass ich an manchen Tagen gar nicht mehr dahin wollte. Nur wenn ich in den alten Bundesländern oder Österreich zu Gast war, und dort mit einer modernen "Westmaschine" dialysiert wurde, ging es mir wesentlich besser. Zum Glück kamen mit der Kehre nicht nur moderne Maschinen, sondern auch die Bauchfelldialyse für Erwachsene in die neuen Bundesländer. In der DDR gab es die Bauchfelldialyse nur für Kinder. Mit dieser ging es mir dann schon wesentlich besser.

Auch wenn ich mich auf das künftige Leben mit meiner neuen Niere wahnsinnig gefreut habe, wir hatten viele Pläne, bekam ich noch im Transplantationszentrum eine schlechte Nachricht. Nach einer Biopsie hatte man festgestellt, dass die Niere schon wieder die Grunderkrankung Glomerulonephritis (eine Nierenkörperchen Entzündung) innehatte. Man teilte mir betreten mit, dass die Niere, wenn überhaupt, höchstens sieben bis vielleicht zehn Jahre halten würde.

Nun ja, zehn Jahre geschenktes Leben ist doch schon mal was, und wie es in zehn Jahren aussehen wird, stand doch auf einem ganz anderen Blatt. Diese Ankündigung hatte ich schnell vergessen. Jetzt wollte ich doch erstmal wieder leben und zwar ohne Dialyse.

Und das habe ich. Ich habe nach der Transplantation eine Familie gegründet, meine drei Kinder groß werden sehen und mittlerweile sind wir Großeltern eines fast dreijährigen Jungen und freuen uns über jede Minute, die wir mit ihnen verbringen können und über jeden unbeschwerten Tag, den ich dank dieses geschenkten Lebens genießen darf. Gelegentlich war ich auch noch ein bisschen arbeiten und auch ehrenamtlich habe ich versucht, mich etwas einzubringen.

Aus dem vorherigen Absatz können Sie sicher schon erkennen, dass meine Niere nicht nur sieben bis zehn Jahre gehalten hat. Erst nach 19 Jahren bekam ich wieder mal eine schlechte Nachricht, die die Niere betraf. Man riet mir, meine Ernährung umzustellen und auf tierische Eiweiße zu verzichten. Das tat ich dann auch und so besserten sich meine Werte wieder etwas. Natürlich bekam ich zwischenzeitlich auch noch ein paar andere Probleme, da kamen Zahnfleischwucherungen, die Durchblutungsstörungen, der zumeist hohe Blutdruck und eine zeitweilige Erblindung.

Erst nach 27 Jahren wurden die Nierenwerte so schlecht, dass ich im Dezember des vergangenen Jahres dialysepflichtig wurde. Noch heute profitiere ich von der Niere, denn auch wenn sie nicht mehr ausreichend entgiftet, eine Restfunktion ist trotzdem noch vorhanden, so scheidet sie noch gut aus und die Dialyse ist zumindest im Moment noch im 'Schonverfahren'.

Wie fühlt es sich nun an, wenn man so lange mit einer Spenderniere leben darf und jetzt wieder an die Dialyse muss. Im Übrigen hat meine Spenderniere länger als meine eigenen Nieren gehalten, ich habe also trotz schwerer Nierenerkrankung sehr wenig Zeit mit der Dialyse verbracht.mike

Immer wenn es hieß, ich muss alsbald wieder an die Dialyse, bekam ich jedes Mal ein ungutes Gefühl; und ja, ich hatte auch Angst davor. Die Erinnerungen an meine letzte (Hämo-) Dialysezeit, und ist diese auch schon fast dreißig Jahre her, sind unvergessen. Das was ich jahrelang in Vorträgen und Gesprächen mit Prädialytikern erzählt hatte, sollte nun wieder auch auf mich zutreffen. Dreimal jede Woche wieder zu Dialyse, Einhaltung einer strengen Diät und irgendwann auch wieder eine massive Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr. Wollte ich das wirklich wieder. Acht Jahre vorher hatte ich verkündet, nicht mehr an die Dialyse zu gehen. Die Gründe hierfür waren, und sind es immer noch, weitaus tiefliegender. Natürlich war mir bewusst, wie das in absehbarer Zeit enden würde, doch ich war bereit, das in Kauf zu nehmen.

Jedoch hatte sich mittlerweile meine Lebenssituation in den letzten Jahren zum positiven geändert. Da kam, wie oben angeführt, der Enkel, welcher meine Augen wieder zum Strahlen brachte. Und auch ein weiteres großes Glück fügte sich nach langer Zeit als Singleleben, eine neue – alte Liebe trat wieder in mein Leben. Da konnte man doch nicht einfach gehen. Außerdem war mir natürlich auch bewusst, dass sich in den vergangenen 27 Jahren medizintechnisch viel getan hatte und die Dialyse mittlerweile viel erträglicher wurde. Eine Bauchfelldialyse kam aus anatomischen Gründen nicht mehr in Frage.

So schwer es mir auch fiel und so abwehrend ich mich auch verhielt, ich musste der Zukunft ins Auge sehen und anfangen, mich mit der Dialyse zu arrangieren. Natürlich hatte ich auch wieder Angst; Angst vor den Nebenwirkungen der Dialyse, Angst vor dem Stechen mit den "dicken Nadeln" und auch Angst vor der strengen Diät und dem Durst. Ja ich habe versucht, den Dialysebeginn noch hinaus zu zögern. Dieses Mal jedoch nicht so lang wie vor dreißig Jahren. Ich wollte nicht wieder bis zu einem Kreatininwert von 1400 μmol/l (15, 9 mg/dl) warten, weil ich wusste, wie schlecht es mir dann gehen wird. Dialysezeit ist Lebenszeit, das weiß ich mittlerweile und weitaus mehr über die Dialyse, als es vor dreißig Jahren der Fall war. Damals hatte ich überhaupt keine Kenntnis über Dialyse und deren Nebenwirkungen. Ich erhielt lediglich die Information, dass ich meine Flüssigkeits- Phosphat- und Kaliumzufuhr drastisch einschränken muss und dass man, wenn man Glück hatte, die Dialyse 15 Jahre überleben würde, wenn man denn kein Spenderorgan bekommt oder bekommen könnte. Einige Tage zuvor sah ich einige Dialysepatienten nach der Dialyse und deren Aussehen und wie schlecht es ihnen ging und dies gab dem ganzen Unmut den Rest.

Jetzt bemühe ich mich, mich damit abzufinden und bereitwillig die Dialyse in Kauf zu nehmen. Einerseits fällt es mir immer noch schwer, andererseits geht es mir an der Dialyse recht gut. Ich dialysiere im Single-Needle-Verfahren, der Stich ist meist nur ein kleiner Pieks. Ich habe keine Kalium- und Phosphatprobleme wie ich sie damals hatte und ich kann noch immer bis zu zwei Liter trinken, weil die herkömmliche Ausscheidung noch gut funktioniert. Während und nach der Dialyse geht es mir nicht schlecht. Ich kann die Dialyse ohne Hilfe verlassen und werde aufrecht sitzend nach Hause gefahren. Ob sich dieses positive Gefühl auf Dauer halten wird, kann ich natürlich nicht sagen.

Auch hoffe ich, noch einmal Glück zu haben, eine Spenderniere zu bekommen. Mittlerweile habe ich damit begonnen, mich darauf vorzubereiten und alle möglichen Untersuchungen über mich ergehen zu lassen.

enkel

Ich bin guter Dinge!

Mike Pippel